Die Sternwarte auf dem Wendelstein.

Am 20.6.2024 hatte ich die Gelegenheit, die Sternwarte auf meinem Hausberg, dem Wendelstein, im Rahmen einer Führung zu besichtigen. Das Wendelstein-Observatorium ist keine öffentliche Volkssternwarte, sondern ein wissenschaftliches Institut der Ludwig-Maximilians-Universität München, an dem Forschung betrieben wird.

 

   

 

  1. Die Geschichte der Sternwarte

Die Sternwarte wurde im Dezember 1939 von Karl-Otto Kiepenheuer als Sonnenobservatorium der Luftwaffe (Wehrmacht) gegründet. Durch Beobachtung der Sonnenaktivität sollte eine möglichst genaue Vorhersage der optimalen Frequenzen für den militärischen Funkverkehr ermöglicht werden. Nach dem Zweiter Weltkrieg wurde das Observatorium für den gleichen Zweck von den US-Streitkräften finanziert. Seit 1949 gehört das Obervatorium zur Ludwig Maximilians Universität München.

In den sechziger Jahren wurde das Observatorium um einen Koronograph erweitert. Mit diesem Gerät konnte nun auch die Sonnenatmosphäre erforscht werden. Zunehmende Luftverschmutzung und eine Verlagerung der Forschungsschwerpunkte hin zur Nachtastronomie führten schließlich zu einer Einstellung der wissenschaftlichen Sonnenbeobachtung.

Ende 1988 startete mit der Anschaffung eines 80 cm Teleskopes der amerikanischen Firma DFM (Öffnung 800 mm, Öffnungsverhältnis f/12,4, Fokallänge 9900 mm) der ambitionierte nachtastronomische Forschungsbetrieb. Die Bedienung und Überwachung des Instruments erfolgte ferngesteuert von einem Kontrollraum aus.

2007 bekam das Wendelstein-Observatorium eine neue 3.2 m Kuppel der Firma Baader. Innen wurde ein neues 40 cm Cassegrain Teleskop der Firma Astelco (Öffnung 400 mm, Öffnungsverhältnis f/8) installiert, das zuvor noch in der alten 3m Kuppel eingebaut war. Es ist “remote” aus dem Beobachtungsraum oder aus der Universitätssternwarte München steuerbar. Ein Fiberabgriff erlaubte es, dass Licht eines hellen Sternes in einen kleinen Spektrographen zu leiten (PSPEC).

Seit 2009 entstand am Wendelstein ein hochmodernes 2m-Teleskop. Dazu mußte das bisherige Gebäude des 80cm Teleskops einer neuen größeren Kuppel mit 8,5 m Durchmesser weichen. Schon im Frühjahr 2008 wurde das alte 0,8 m Teleskop entfernt und die zugehörige Kuppel abgerissen. Die neue Kuppel von Baader wurde im Mai 2009 installiert und der Innenausbau bis Ende 2009 abgeschlossen

Die Installation des Teleskops der Firmen Kayser-Threde / Astelco wurde im  Frühjahr 2011 vorgenommen. Seit November 2013 befindet es sich im routinemäßigen Betrieb.

2016 wurde das alte 40 cm Teleskop durch ein neues 43 cm Teleskop der Firma Planewave ersetzt. Das alte Teleskop wurde in der Sternwarte der Universität in München installiert und wird für studentische Forschungsaufgaben eingesetzt.

 

  1. Die Instrumente der Sternwarte.

Das 2.1 m Fraunhofer Spiegelteleskop

Das Teleskop wurde von den Firmen Kayser-Threde GmbH (München, inzwischen OHB Systems Wessling bei München) und Astelco System GmbH (Martinsried) geplant und errichtet. Die drei Spiegel wurden von der Firma Lytkarino Opical Glass Factory (LZOS, Moskau) hergestellt. Die Teleskopsteuersoftware wurde von der Firma tau-tec GmbH Tübingen entwickelt.

Das Teleskop ist ein Ritchey-Chrétien Teleskop mit einer freien Öffnung von 2.0 Metern und einem Öffnungsverhätnis von f/7.8. Das Licht wird durch eine steuerbaren dritten Planspiegel in sogenannte Nasmyth-Fokusstationen gelenkt, wo die wissenschaftlichen Instrumente (mit einem Gewicht von bis zu 350 kg und einem Gesichtsfeld von bis zu 0.7 Grad) installiert werden können. Eine Station ist mit einem dreilinsigen optischen Korrektor ausgerüstet, der eine flache Abbildung über 0.7 Grad sicherstellt. Die andere Fokalstation bedient wissenschaftliche Geräte, die mit einem kleinen Gesichtsfeld auskommen.

Das Teleskop kann vor Ort oder ferngesteuert werden.

43 cm Teleskop

Im Jahre 2016 wurde ein CDK17-Teleskop der Firma Planewave mit Korrekturoptik für ein Feld von 0.75 Grad in einer 3.2 m Kuppel der Firma Baader installiert. Das Teleskop folgt dem optischen Prinzip eines korrigierten Dall-Kirkham Astrographen und bietet eine freie Öffnung von 43 cm und ein nutzbares Gesichtsfeld von 70 mm. Das Teleskop hat ein Öffnungverhältnis von f/6.8 bzw. einen Abbildungsmaßstab von 0.26″/pixel auf dem CMOS Detektor. Es ist “remote” aus dem Beobachtungsraum oder aus der Universitätssternwarte München steuerbar. Es unterstützt das 2 m Teleskop als sogenannter Extinktionsmonitor (d.h. es vermisst als Roboter die Durchsichtigkeit der Atmosphäre).

20 cm Koronograph

Dieser Spezialrefraktor der Firma Zeiss (Oberkochen) hat eine Öffnung von 20 cm und erlaubt die Beobachtung der Aktivität der Sonne (im Weißlicht, in Halpha, im Spektrum) sowie bei sehr günstigen Bedingungen die Beoachtung der Sonnenatmosphäre durch das Einsetzen spezieller mechanischer Blenden (künstliche Sonnenfinsternis, Koronographen-Prinzip). Das Gerät wird zu Ausbildungszwecken und zu Führungen eingesetzt.

Allsky Kameras

Zwei sogenannte Allsky-Kameras (extreme Weitwinkel-Kameras sehr kurzer Brennweite) erlauben dem Beobachter die ständige Überwachung des Himmels auf Wolken etc, ohne dazu den Beobachterraum verlassen zu müssen. Sie erfassen auch helle Meteore, Feuekugeln und Sattelitenabstürze.

 

  1. Die aktiven Beobachtungsinstrumente:

Die wissenschaftlichen Instrumente werden an der Universitätssternwarte München entwickelt und gebaut. Die wichtigsten Instrumente sind:

  • WWFI Weitwinkelkamera, (in Betrieb seit Juli 2013)
  • 3KK, Eine 3-Kanal-Kamera (optisch und nahes Infrarot, in Betrieb seit Januar 2016)
  • VIRUS-W, (Spektograph für das 2 m Teleskop, ausgeliehen an das 2.7 McDonald Teleskop in Texas)
  • FOCES Ein Spektrograph für hohe Auflösung (im Aufbau).

 

  1. Die Wissenschaftliche Arbeit auf dem Wendelstein

  Die wesentlichen Untersuchungs- und Einsatzbereiche der Teleskope und Geräte sind:

 

2m-Teleskop mit WWFI oder 3kk

Komastruktur der Kometen

Transits von Exoplaneten

Veränderliche Quellen von dominaten Galaxien in Galxienhaufen

Photometrische Studien von Galaxienhaufenkandidaten des Planck-Satelliten

 

 

43cm-Teleskop mit CCD Kamera oder PSPEC

Extinktionsmonitor

Überwachung von Delta-Cep Sternen der Milchstrasse

Überwachung von veränderlichen roten Riesen in Kugelsternhaufen

Studentisches Praktikum

 

Die wissenschaftliche Ausbeute der Beobachtungen wurde in einer Vielzahl von Artikeln in wissenschaftlichen Zeitschriften publiziert. Darüber hinaus ist die Sternwarte auf dem Wendelstein für Wissenschaftler aus vielen Ländern eine begehrte Beobachtungsstation, die bisher häufig bei Simultan-Beobachtungen mit Satellitenteleskopen oder auch bei weltweiten Beobachtungskampagnen zum Einsatz kommt. Gastwissenschaftler aus den USA, aus Schweden, Argentinien und China nutzten Beobachtungszeit am Wendelstein-Teleskop.

Die meteorologische Bedingungen:

Bedingt durch die geographische Lage der Beobachtungsstation sind die meteorologischen Verhältnisse starken Schwankungen unterworfen. Einerseits können Schneehöhen von einem Meter und mehr von November bis April auftreten, andererseits können namentlich im Spätherbst und beginnendem Winter Inversionslagen für wochenlanges exzellentes Beobachtungswetter sorgen.

Verglichen mit sämtlichen Beobachtungsstationen in Deutschland bietet der Wendelstein hervorragende Beobachtungsbedingungen mit jährlich ca. 1350 klaren Nachtstunden (d.h. 120 Nächte mit weniger als 2/8 Bewölkung). Dies sind immerhin 75% der Beobachtungszeit, die Astronomen auf dem Calar Alto in Südspanien nutzen können. Von besonderer Bedeutung ist der Standort Wendelstein auch in Hinblick auf die Güte des Stern-Seeings (mittlere Ausdehnung eines Sternbildchens). Umfangreiche Messungen haben gezeigt, daß das Seeing am Observatorium Wendelstein ähnlich hervorragend ist wie auf den besten Observatorien weltweit (z.B. ESO La Silla und Paranal in Chile, Calar Alto in Spanien).

 

Weitere Informationen zu der Sternwarte finden Sie im Internet unter https://www.wendelstein-observatorium.de/. Unter anderem tolle Deep Sky Aufnahmen, die am Observatorium gemacht wurden, zeigt die Seite https://www.physik.lmu.de/observatory/de/forschung/wendelstein-observatorium/

 

Dinslaken, Juli 2024

Robert Wendels